90 Jahre SPD OV Leimen
Ausstellungseröffnung zum Ortsvereinsjubiläum

(Bericht aus der Rathaus-Rundschau)

Die "mit Abstand älteste politische Kraft am Ort", wie es der SPD-Vorsitzende Wolfgang Krauth formulierte, beging am vergangenen Sonntag mit einem Festakt ihr Jubiläum: 90 Jahre ist die Sozialdemokratie in Leimen nun schon organisiert.

In seiner Begrüßungsrede, in der er neben einer Vielzahl von Mitgliedern u. a. die Familienministerin MdL Brigitte Unger-Soyka, MdB Gert Weisskirchen, MdL Helmut Göschel, den Europakandidaten Dr. Horst Metzler, Ersten Bürgermeister Bruno Sauerzapf, sowie zahlreiche Vertreter der politischen Vereinigungen am Ort, der Leimener Vereine und Vorsitzende der umliegenden SPD-Ortsvereine willkommen heißen konnte, ging Krauth auf den Zustand der Demokratie ein, "90 Jahre SPD in Leimen sind eigentlich ein Grund zur Freude", so der Vorsitzende. Doch stellte er diese in Zweifel angesichts der Resignation und Enttäuschung, die er nach eigener Erfahrung schon im Hinblick auf die Bundestagswahl hat erleben müssen.

Wolfgang Krauth rief alle, die politisch aktiv sind und Verantwortung tragen zur Nachdenklichkeit auf. "Wir müssen uns Gedanken machen, über die, die resigniert der Politik den Rücken zugekehrt haben, und über die Fehler und Schwächen der Vergangenheit, sondern vor allem auch über die Chancen, die in der Zukunft liegen. Jeder, der von Politikern und der Politik enttäuscht wird, ist ein Verlust für unser demokratisches System!" schloß Krauth.

Der SPD-Europakandidat Dr. Horst Metzler, grift den Gedanken in seinem Grußwort auf: "Gegen diese Bewegung müssen wir. aktiv angehen und die Basis mehr hören", formulierte es Metzler. "Politik ist die Suche nach einem guten und nicht faulen Kompromiß" rief er den jetzigen Mandatsträgern zu.

Erster Bürgermeister Bruno Sauerzapf überbrachte die. Glückwünsche des Gemeinderates, der Stadt Leimen und des Oberbürgermeisters. Sauerzapf hob hervor, daß schon 1880 sozialdemokratische Bewegungen in Leimen nachweisbar sind. "Seit der Jahrhundertwende macht die Sozialdemokratie in Leimen Politik", unterstrich er. Das Aufkommen der Tabak- und Zementindustrie in Leimen brachte neue Arbeiter in die damals noch bäuerlich strukturierte Gemeinde. Besonders hob Bruno Sauerzapf das Jahr 1933 in den Vordergrund, als die SPD zusammen mit der Zentrumspartei den Sozialdemokraten Jakob Weidemaier zum Bürgermeister wählte, und somit zunächst, trotz massiven Drucks, ein NSDAP-Stadtoberhaupt verhinderte.

MdB Gert Weisskirchen, der für die erkältete Brigitte Unger-Soyka die Festrede hielt, unterstrich, daß die Gründung eines Leimener SPD-Ortsvereins ein "Kind der sozialdemokratischen Bestrebung" war, die durch Menschen wie Friedrich Hecker vorangetrieben wurde. Der Bundestagsabgeordnete hob hervor, daß die Sozialdemokratie zwar nie frei von Fehlern gewesen sei, durch diese aber klüger geworden sei. Den Republikanern rief Weisskirchen zu: "Wer die Grenzen des Grundgesetzes überschreitet, der verläßt den Boden der Demokratie und muß mit verfassungsstaatlichen Mitteln dann auch verfolgt werden."

Die Wähler rief er auf, am 12. Juni und 16. Oktober einen "demokratischen Geist" zu beweisen. "Diese Wahlen sind die Chance für die Demokratie. Denn nur sie kann sich verändern und Veränderungen aufnehmen." Die Wähler sollen die "verfetteten, verharschten Strukturen", dort wo sie vorhanden sind, aufbrechen. Die SPD bezeichnete Weisskirchen als eine Partei mit immer kritischem Geist: "Der OB kann ein Lied vom Widerstand im Gemeinderat singen. Doch nur tote Fische schwirnmen mit dem Strom".

Gert Weisskirchen hatte auch einige historische Daten des Ortsvereins zusammengetragen:

  • 1904: Entwertungsstempel "Sozialdemokratischer Verein Leimen" im SPD-Mitgliedsbuch des späteren Leimener Ehrenbürgers Johannes Reidel, nachdem es schon frühere Zeugnisse organisierter sozialdemokratischer Arbeiter in Leimen gegeben hat
  • 1906: Wahlen zum Bürgerausschuß nach dem sogenannten Dreiklassenwahlrecht, SPD Leimen erhält alle Mandate der 3. Klasse
  • 1910: Kundgebung zum 1. Mai gemeinsam mit den freien Gewerkschaften
    sehr aktive Entwicklung der SPD Leimen bis zum 1. Weltkrieg:
    25. Mai: Gemeindeverordnetenwahlen: SPD Leimen erringt 29 von 48 Mandaten
    15. Juni: Gemeinderatswahlen: SPD stellt 5 von 8 Gemeinderäten
  • 1933: Unruhen am Tag der lefzten Reichtagsswahl am 5. März
    Mai: Bei der Bürgermeisterwahl setzte sich der von der SPD unterstützte Jakob Weidemaier gegen NSDAP-Kandidat durch
    Juni: Verbot der SPD in Leimen, Weidemaier abgesetzt
  • 1933-1935: Verhaftungen von Sozialdemokraten, Flugblattverteilung der "Sozialistischen Aktion" Erinnerung an Widerstandsgruppe um Jakob Uhrig
  • 1945: SPD-Mitglied Georg Appel wird von den Alliierten als Bürgermeister eingesetzt
    September: Wiedergründung des SPD-Ortsvereins (Anfang 1946: 70 Mitglieder, Ende 1946: fast 100)
  • 1946: Januar: Gemeinderatswahl: SPD erringt 5 von 8 Sitzen
  • 50er/60er Jahre: SPD bei Wahlen immer über oder um 50 % (1972: 48,2 %)

Stadtrat Günter Jundt eröffnete schließlich die Ausstellung "Die deutsche Sozialdemokratie in ihren Programmen", eine elf Kapitel umfassende Dokumentation der Geschichte der SPD, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung zusammengetragen wurde. Der Bürgermeisterstellvertreter wertete sie als "Zeichen gegen Politikverdrossenheit". Man sehe zahlreiche Parallelen von der gesamtdeutschen SPD-Historie zur Leimener. Allein daher sei die Ausstellung sehenswert, so Jundt. Der Stadtrat nannte auch Personen, die in der Leimener SPD-Geschichte von tragender Bedeutung waren: jeweils Vater und Sohn Reidel, Zugck, Engelhorn und viele andere haben die Fahne der Sozialdemokratie hochgehalten und haben in der Kommunalpolitik entscheidend mitgewirkt.

Musikalisch umrahmt wurde die Ausstellungseröffnung von der Mezzosopranistin Gabriele Soyka und dem Gitarristen Bernhard Weber. Lieder aus der Arbeiter-, Friedens- und Frauenbewegung aus einem Jahrhundert spannten einen weiten geschichtlichen Bogen. Einzelne Epochen bringen ihre eigenen Lieder hervor, und so war von "Wann wir schreiten Seit an Seit" bis hin zu John Lennon "Imagine" ein sehr großes Spektrum vertreten, das von den beiden Musikern zur Begeisterung des Publikums hochklassig vorgetragen wurde.


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