Die Zeit von 1992 bis 2004:
Neuorientierung

(Wolfgang Krauth und Dr. Peter Sandner)

Im Februar 1992 kandidiert Dr. Manfred Schechter nach siebenjähriger Amtszeit nicht mehr als erster Vorsitzender, er hatte den Ortsverein über eine höchst schwierige Zeit geführt. Paul Pazdzior wird zum neuen Ortsvereinsvorsitzenden gewählt. Im Ortsverein engagiert sich auch stark der Juso-Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende des Ortsvereins, Alexander Lucas. Bis zu seinem Wegzug aus Leimen bleibt er u.a. die treibende Kraft für den „durchblick“, die Zeitung des Ortsvereins.

Die SPD-Gemeinderatsfraktion besteht nach der Gemeinderatswahl 1989 aus sieben Mitgliedern (von insgesamt 27): Für Leimen-Mitte sind neben Günter Jundt, der dem Gemeinderat seit 1979 angehört, nun Irmgard Acker und Dr. Peter Sandner in den Gemeinderat eingerückt, alle beide Vertreter der neuen Generation der Ortsvereinsmitglieder. Für Gauangelloch bleibt Laszlo Rajki, der Dr. Manfred Schechter nach dessen Rücktritt aus dem Gemeinderat 1986 abgelöst hatte, weiterhin Fraktionsmitglied und für St. Ilgen werden die langjährigen Gemeinderäte Brigitte Balzer, Hans-Henning Mohring und Edgar Veit wieder für die SPD in den Gemeinderat gewählt. Zum Fraktionssprecher wird von der neuen Fraktion Hans-Henning Mohring gewählt, der das Amt schon im Sommer 1989 übernommen hatte, nachdem die für die SDW kandidierenden SPD-Gemeinderäte die Fraktion verlassen hatten. Dr. Peter Sandner wird stellvertretender Fraktionssprecher.

Schon die erste Sitzung des neu gewählten Gemeinderats nach der Kommunalwahl im Dezember 1989 zeigt den Umgang des Bürgermeisters Ehrbar sowie der CDU- und der SDW-Fraktion zur „neuen“ SPD-Fraktion. So wird Günter Jundt für sein Verbleiben in der SPD-Fraktion (und seine schon in der Vergangenheit mitunter kritische Haltung) „abgestraft“. Obwohl von der zweitstärksten Fraktion als zweiter stellvertretender Bürgermeister vorgeschlagen, wird er entgegen dem allgemein üblichen politischen Brauch nicht gewählt. Der Bürgermeister sorgt vor und hinter den Kulissen dafür und die beiden genannten Fraktionen folgen willfährig seinen Vorgaben. Diese Begebenheit ist symptomatisch für die folgenden zehn Jahre bis zum Ende der Amtszeit Ehrbars. Jede kritische Haltung einzelner Gemeinderatsmitglieder zu Vorstellungen des Bürgermeisters wird von ihm energisch bekämpft und CDU- und auch SDW-Fraktion sind fast immer willige Fahnenträger, die den von Ehrbar vorgegebenen Zielen folgen.

Erstes kontrovers diskutiertes Thema im neuen Gemeinderat ist die Frage, in welchem Ausmaß die nach der Wende insbesondere aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland strömenden Aussiedler in Leimen aufgenommen werden sollen. Man entschließt sich – auch mit den Stimmen der SPD-Fraktion - auf einem Gelände der Stadt schwedische Holzhäuser aufzustellen, um übergangsweise schnell Aussiedler unterzubringen. Dass die Aussiedler langfristig in Leimen bleiben werden und der Stadt später im Neubaugebiet Fasanerie große soziale Probleme bescheren werden, ahnt zu dieser Zeit niemand.

Daneben sind die Weiterführung der Ortskernsanierung, die Sanierung der Rohrbacherstrasse, die Gründung einer stadteigenen Wohnungsbau GmbH und die Erweiterungsbauten im Schul- und Kindergartenbereich und im Sportstättenbereich die Schwerpunktthemen der ersten Hälfte der neunziger Jahre im Gemeinderat und auch in der innerparteilichen Diskussion im Ortsverein. Die Verzahnung der Arbeit in Fraktion und OV wird verstärkt, Fraktionssitzungen werden parteiöffentlich und in den Mitgliederversammlungen wird regelmäßig über die Arbeit im Gemeinderat berichtet und diskutiert.

Im Zuge der 1200-Jahr-Feier der Stadt wird Leimen 1992 auch zur Großen Kreisstadt erhoben, Ehrbar steigt vom Bürgermeister zum Oberbürgermeister auf. Im Gemeinderat ist die nachfolgende Diskussion, welche – bisher vom Kreis auch für Leimen erledigten - Aufgaben Leimen nun selbst übernehmen solle, lebhaft und strittig. Eine Pflicht zur Übernahme der Aufgaben besteht nicht und die Fraktionen der SPD und Grünen Alternative Liste (GALL) befürchten ein unverhältnismäßig starkes Anwachsen der Personalkosten. Entgegen der Meinung dieser Fraktionen setzt sich der Oberbürgermeister mit seinem Vorschlag durch, vom Kreis alle Aufgaben zu übernehmen, für die diese Option rechtlich zulässig ist. Auch die 1200-Jahr-Feier gedeiht zu einer Veranstaltung, die den frischgebackenen Oberbürgermeister Ehrbar für die bevorstehende Bürgermeisterwahl ausgezeichnet zur Geltung bringen soll, alle mahnenden Stimmen aus der SPD-Fraktion (und auch anderen Fraktionen), bei der Ausgestaltung der Feier nicht zu übertreiben, verhallen ungehört.

1992 wird Ehrbar mit 73,6 % der abgegebenen Stimmen im Amt bestätigt, die SPD hatte auf einen eigenen Kandidaten verzichtet; innerparteilich ist diese Entscheidung nicht unumstritten, da eine Minderheit meint, dass die Partei bei einer solchen Wahl selbst bei einer allgemein als aussichtslos angesehenen Ausgangssituation „Flagge“ zeigen müsse. Als einziger ernstzunehmender Gegenkandidat erhält Ralf Frühwirt von der GALL beachtliche 21,8 %.

Im Jahr 1993 liegt der Schwerpunkt der Ortsvereinsarbeit auf der Flüchtlingsthematik und der beabsichtigten Einschränkung des grundgesetzlich garantierten Asylrechts. U. a. werden Werke verschiedener Künstler bei einer Ausstellung „Kultur gegen Gewalt“ im Kurpfalz-Centrum ausgestellt.

Im Oktober 1993 tritt Paul Pazdzior von seinem Amt als Vorsitzender zurück. Er zieht die Konsequenzen aus dem Gerangel um die Nachfolge der Stelle des zweiten Bürgermeisters, die durch den Ruhestand von Willi Dick vakant geworden war. Pazdzior sieht sich bei seiner Bewerbung um diese Stelle von der SPD nicht voll unterstützt. Von der Fraktion wird nämlich ein Kompromiss akzeptiert, der eine zweijährige Vakanz der Stelle und eine herausgehobene Stellung als Amtsleiter in der Verwaltung für das St. Ilgener SPD-Mitglied Thomas Weissbrod vorsieht.

Dieser Kompromiss wird eingegangenen, nachdem der Fraktion nach langen Verhandlungen mit dem Oberbürgermeister klar wird, dass dieser nur einen ihm genehmen Kandidaten akzeptieren würde und die beiden schon genannten Fraktionen von CDU und SDW ihn in dieser Haltung wiederum voll unterstützen. Nach zweijähriger Vakanz solle entschieden werden, ob Weissbrod sich ausreichend bewährt hat, um auch als zweiter Bürgermeister in Erwägung gezogen zu werden. Durch den Gang der Entwicklung - Weissbrod verlässt 1994 auf Grund von tief greifenden Meinungsverschiedenheiten mit Ehrbar den städtischen Dienst und wird 1994 für die SPD in den Gemeinderat gewählt – wird aus der zweijährigen Vakanz ein dauerhafter Verzicht auf die Stelle des zweiten Bürgermeisters. Ob ein SPD-Kandidat auf der Stelle des zweiten Bürgermeisters unter einem OB Ehrbar sich für die Ziele der SPD hätte einsetzen können, ist auch aus heutiger Sicht sehr zu bezweifeln. Als verlängerter Arm des OB in die Fraktion und in den Ortsverein hinein hätte er sich wohl binnen kurzer Zeit in seinem Amt verschlissen.

Das Jahr 1993 sieht auch zum ersten Mal eine Urwahl in der SPD. Alle Mitglieder der Partei sollen basisdemokratisch über das Amt des Bundesvorsitzenden, den Nachfolger von Björn Engholm, entscheiden. Innerhalb der Partei – so auch im Ortsverein Leimen – wird intensiv über die zur Wahl stehenden Personen diskutiert. Rudolf Scharping macht gegen Heidemarie Wieczorek-Zeul und Gerhard Schröder das Rennen – auch in den beiden Ortsvereinen Leimen und St. Ilgen, die die Urwahl gemeinsam ausrichten. Hier erhält Scharping 44,8 %.

Claus Foerster, Mitglied im hiesigen Ortsverein, wird 1993 zum Kreisvorsitzenden der SPD wieder gewählt; er hat das Amt von 1991 bis 1995 inne.

Im Ortsverein nimmt der amtierende Kassierer Wolfgang Krauth nach dem Rücktritt Pazdziors zunächst den Vorsitz kommissarisch wahr, im November 1993 wird er dann auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung regulär zum Vorsitzenden gewählt. Wolfgang Krauth hat sofort alle Hände voll zu tun, die Aufstellung der Kandidatenliste für die Kommunalwahl im Sommer 1994 steht an – wie immer seit 1975 ist auch diesmal eine Abstimmung über die Listen für alle drei Ortsteile und die Erarbeitung und Verabschiedung eines gemeinsamen Wahlprogramms durch die beiden in der Stadt residierenden Ortsvereine notwendig. Als eines der zentralen Themen der SPD wird ein „Jugendhaus in Leimen“ für die offene Jugendarbeit gefordert und in einer .großen Diskussionsveranstaltung mit OB Ehrbar diskutiert. Dieser führt die fehlende Finanzierung ins Feld und versucht mit unannehmbaren Unterbringungsvorschlägen das Thema auf die lange Bank zu schieben. Erfolgreich - wie die nächste Wahlperiode zeigt, in der immer wieder von OB Ehrbar und der Mehrheit im Gemeinderat die ausreichende Jugendarbeit durch die Vereine als Alternative zur offenen Jugendarbeit ins Feld geführt wird.

Im Mai 1994 feiert der Ortsverein mit einer Festveranstaltung im Kurpfalz-Centrum sein 90-jähriges Bestehen, bei der Gert Weisskirchen, MdB, für die anwesende aber erkrankte Landesministerin Brigitte Unger-Soyka die Festrede hält und den „kritischen Geist der SPD“ betont, auf den „der OB im Gemeinderat ein Lied singen könne“. Der erste Bürgermeister Bruno Sauerzapf weist in seinem Grußwort darauf hin, dass sozialdemokratische Aktivitäten in Leimen schon vor Gründung des Ortsvereins in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts nachweisbar seien. Der Festakt wird begleitet durch eine Ausstellung „Die deutsche Sozialdemokratie in ihren Programmen“.

Die Kommunalwahl im Sommer 1994 bringt bei gleich bleibendem Stimmenanteil von 25,2% - aber aufgrund der zeitgleichen Europawahl einer erheblich gewachsenen Wahlbeteiligung von 66,3 % statt 57,2 % - ein Anwachsen der SPD-Fraktion auf 9 von nunmehr 34 Stadträten; alle neu gewählten SPD-Stadträte (Wolfgang Krauth in Leimen-Mitte, Rafael Dreher in Gauangelloch und Thomas Weissbrod aus St. Ilgen) sind im Juso-Alter. Nach der Wahl keimt die Hoffnung auf eine konstruktive Zusammenarbeit von SPD und Grüner Alternativer Liste mit der FWV; eine Hoffnung, die allerdings nur für einen kurzen Teil der Wahlperiode bei einigen Entscheidungen zur Stadtkernsanierung trägt. Danach kann der OB die Mitglieder der FWV meist wieder auf die von ihm vorgegebene Linie einschwören.

Kaum haben sich die Mitglieder des Ortsvereins von den Anstrengungen der Kommunalwahl erholt, wird ihr Einsatz für die Bundestagswahl im Oktober 1994 gefordert. Der Regierungswechsel mit dem Spitzenkandidaten Rudolf Scharping gelingt nicht. In unserem Wahlkreis zieht erneut Gert Weisskirchen mit gesteigertem Erst-Stimmen-Anteil über die Landesliste in den Bundestag ein. In Leimen bleibt das SPD-Ergebnis mit 35 % unter dem Bundesergebnis mit 36,4 %, vor Ort verliert die FDP und gewinnen die Grünen.

Kurz nach der Kommunalwahl revidiert der Ortsverein Leimen seinen Ende 1989 gefassten Beschluss und beschickt wieder die Ortsteilbeiräte in Leimen-Mitte und Gauangelloch. Danach bestimmen zunächst Verkehrsfragen die Diskussion im Ortsverein: Die Forderung nach dem Baustopp für die B535 soll die sog. Nordostumgehung von Leimen wieder in die Diskussion bringen, die Notwendigkeit eines zweiten Straßenbahngleises in der Rohrbacherstrasse wird bekräftigt und ein Park-and-Ride-System in Rohrbach-Süd gefordert. Aber auch die Defizite in der offenen Jugendarbeit in Leimen werden konsequent aufgezeigt. Ab Frühjahr 1995 werden im Gemeinderat und auch im Ortsverein die Alternativen zur Unterbringung der Verwaltung im Stadtkern diskutiert, ein Thema, das bis zum heutigen Tage ungelöst ist und immer wieder aufflammt - wie in jüngster Vergangenheit im Dezember 2003. Gegen den zähen Widerstand von OB Ehrbar und der CDU-Fraktion gelingt es der SPD-Fraktion lange Zeit nicht, die sog. Fraktionsspalten in der Rathaus-Rundschau durchzusetzen.

Im April 1995 gedenkt der Ortsverein des 50. Jahrestags des Kriegsendes. Der Vorsitzende Wolfgang Krauth kritisiert, dass das Dritte Reich innerhalb der Lokalgeschichte als „blinder Fleck“ betrachtet wird und regt zusammen mit anderen Ortsvereinsmitgliedern eine kritische Beschäftigung mit diesem Zeitraum an. Ein Aufruf an die Bevölkerung, Material über diese Zeit zur Verfügung zu stellen, bleibt aber nahezu ohne Echo. Im November schildert Dr. Heiner Neureither in einem ausführlichen Artikel in der RaRu die Neugründung des SPD-Ortsvereins Leimen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Das Sommerfest des Ortsvereins Leimen findet erstmals 1996 unter genauer Organisationsarbeit von Dr. Heiner Neureither nicht mehr auf dem Waldsportplatz statt, wo es seit Ende des Zweiten Weltkriegs traditionsgemäß gefeiert wurde, sondern im Otto-Hoog-Stadion: Dort kann durch die vorhandene gute Infrastruktur das zweitägige Fest mit geringerem Einsatz an ehrenamtlichen Helfern veranstaltet werden.

Die im Frühjahr 1996 stattfindende Landtagswahl bringt wiederum keinen Erfolg für die SPD; auch in Leimen nicht, trotz des starken Einsatzes der Kandidatin Anna Koller aus Walldorf, die sich z.B. in einer Kampagne gegen Kriegsspielzeug in Leimen engagiert. Im Land muss die SPD die große Koalition verlassen, in der sie seit der Landtagswahl im Jahr 1992 die Rolle des Juniorpartners innehatte. Aus dieser Position heraus hat man sich mit dem Wirtschaftsminister und Spitzenkandidaten Dieter Spöri ein besseres Abschneiden erwartet.

Bei der Bundestagswahl im September 1998 gelingt der SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Gerhard Schröder der Machtwechsel in Berlin; ein Bündnis zwischen SPD und Grünen übernimmt die Regierung. Auch in Leimen kann die SPD bei der Bundestagswahl ihr Ergebnis um 4%-Punkte von 38,5 % auf 42,5 % steigern. Bei den Zweitstimmen liegt sie in Leimen-Mitte fast 4 % vor der CDU und erzielt das beste Ergebnis seit 1983. Die ersten von der neuen Regierung in Gang gesetzten Reformen und die Diskussionen im Regierungsbündnis haben allerdings einen verheerenden Einfluss auf das Ergebnis der nachfolgenden Kommunalwahl im September 1999; die SPD in Leimen fällt von 25,2 % auf 20,4 % - bei gleichzeitig gesunkener Wahlbeteiligung – und verliert zwei Sitze im auf 35 Mitglieder gewachsenen Gemeinderat. Im Kommunalwahlkampf setzen die beiden Ortsvereine Leimen und St. Ilgen erstmalig neben den klassischen Printmedien mit ihrem neu etablierten Internet-Auftritt auch moderne Medien ein.

Der Niederlage bei der Kommunalwahl folgt aber ein Umschwung bei der Wahl des Oberbürgermeisters. Im Auftrag der beiden Ortsvereine bemüht sich Hans-Henning Mohring lange vor der Wahl um einen aussichtsreichen Kandidaten und findet ihn zusammen mit der eingesetzten Findungskommission in Wolfgang Ernst. Er wird der Bevölkerung im Januar 2000 vorgestellt – und auch von der GALL unterstützt. Er tritt an gegen den Kandidaten der CDU, unterstützt auch von SDW und FWV, den amtierenden Ersten Bürgermeister Bruno Sauerzapf. In einem kurzen aber äußerst engagierten Wahlkampf unter dem Motto „menschlich, offen, zuverlässig“ gelingt es Wolfgang Ernst unter hohem persönlichen Einsatz auch Wähler außerhalb des traditionellen SPD-Lagers von seiner „Politik eines Neuanfangs für Leimen“ zu überzeugen. Im ersten Wahlgang im März 2000 liegt er nur 150 Stimmen hinter Bruno Sauerzapf, im zweiten Wahlgang liegt er mit 1150 Stimmen vorn und erreicht das von vielen (auch Parteimitgliedern) für unmöglich gehaltene Ziel: Er wird mit 55,7 % der abgegebenen Stimmen neuer Oberbürgermeister von Leimen.

Auch die Wahl zum Landtag im März 2001 wird in Leimen für die SPD ein Erfolg, sie steigert ihren Stimmenanteil von 29,3 % auf 36,7 %. Die Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, Ute Vogt, wird wiederum in einer Urwahl von allen Parteimitgliedern des Landes gewählt, die beiden Ortsvereine Leimen und St. Ilgen führen die Wahl gemeinsam durch. Ute Vogt erhält hier mehr als doppelt so viele Stimmen wie ihr Gegenkandidat Siegmar Mosdorf. Der aus Leimen stammende Reiner Ullrich wird in Leimen zum Wahlkreiskandidaten nominiert, kann aber trotz des für ihn persönlich sehr erfolgreichen Wahlergebnisses nicht in den Landtag einziehen. Er erhält in Leimen insgesamt 36,7 % der Stimmen, in Leimen-Mitte sogar 40,7 %!

Bei den Bundestagswahlen im September 2002 findet auch in Leimen ein sehr engagierter Wahlkampf statt; Heide Simonis ist die bundespolitisch herausragende Persönlichkeit, die in Leimen auftritt und mit ihren Ausführungen überzeugt. Leider sinkt in Leimen der SPD-Stimmanteil von 42,8 % auf 41 %, die CDU erhält 46,5 %. Bei genauer Analyse des Wahlergebnisses ist erkennbar, dass dies im Wesentlichen auf das Wahlverhalten der Aussiedler zurückzuführen ist. In den städtischen Wahlkreisen in der Fasanerie im Stadtteil St. Ilgen mit einem hohen Aussiedleranteil sind sehr hohe CDU-Stimmenanteile (im Durchschnitt 65 %) zu verzeichnen. Liegt in Leimen-Mitte das Wahlergebnis bei den Zweitstimmen bei 38,5 % für die SPD und 39,5 % für die CDU, so ist dieses Verhältnis in St. Ilgen mit 31,8 % zu 50,2 % noch schlechter als in dem ländlich geprägten Gauangelloch (32,5 % zu 40 %).

Im Ortsverein geht der Vorsitz 1999 von Wolfgang Krauth auf Wolf-Rüdiger Branscheid über. Im Mai 2000 tritt Wolf-Rüdiger Branscheid überraschend vom Amt des Vorsitzenden zurück, da er aus persönlichen Gründen nach Heidelberg umzieht. Das Amt des Vorsitzenden übernimmt kommissarisch wieder Wolfgang Krauth ehe Anfang 2001 Hartwig Wätjen zum Ortsvereinsvorsitzenden gewählt wird. In der Betreuung der älteren Mitglieder engagiert sich seit längerem Ursula Meincke, die Lebenspartnerin des neuen ersten Vorsitzenden. Sie folgt in dieser Funktion dem früheren Ortsvereinsvorsitzenden Hans-Werner Hoffman nach, der sich bei dieser Aufgabe über lange Jahre hinweg große Verdienste erworben hat. Wätjen setzt die politische Arbeit der früheren Vorsitzenden kontinuierlich fort und versucht auch die Zusammenarbeit mit dem Ortsverein St. Ilgen zu intensivieren. Man holt z.B. im Jahr 2003 gemeinsam den früheren MdL Karl-Peter Wettstein zu einer Diskussion über die Osterweiterung der EU nach Leimen und diskutiert an zwei Abenden intensiv mit dem Heidelberger MdB Lothar Binding die Steuerpolitik und die Entwicklung unseres Sozialsystems. Dass man sich in den beiden Ortsvereinen seit Jahren zu gemeinsamen Winterfeiern trifft und sich auch intensiv bei den beiden Sommerfesten hilft, versteht sich von selbst.

Im Jahr 2002 beendet der Fraktionssprecher Hans-Henning Mohring seine aktive Gemeinderatszeit, er war über 35 Jahre im Gemeinderat von St. Ilgen und später der Stadt Leimen ehrenamtlich tätig und wird mit dem Ehrenring der Stadt Leimen und dem Ehrenvorsitz der SPD-Fraktion geehrt. Im Gemeinderat rückt Karl-Heinz Wagner nach, der Ortsvereinsvorsitzende des SPD Ortsvereins St. Ilgen, der dem Rat bereits früher angehörte. Dr. Peter Sandner übernimmt den Fraktionsvorsitz, Stellvertreter wird Karl-Heinz Wagner.

Kommunalpolitisch ist der Zeitraum seit Amtsantritt des neuen OB im Juni 2000 geprägt von zwei Faktoren: Zum einen wird noch im Jahr 2000 die finanzielle Misere der Stadt Leimen deutlich, die neben der allgemeinen Entwicklung der Finanzausstattung der deutschen Kommunen auch deutliche hausgemachte Ursachen hat, die in den haushaltspolitischen Entscheidungen der Ratsmehrheit unter OB Ehrbar zu finden sind: Man hat über die Verhältnisse gelebt. Dies erfordert nun konsequente und (natürlich in der Wählerschaft) unbeliebten Sparmaßnahmen und Steuer- bzw. Gebührenanhebungen. Erschwert wird die Angelegenheit, dass daneben auch einige Fakten aus der Amtszeit von OB Ehrbar bekannt werden, die die Staatsanwaltschaft auf den Plan rufen, die gegen ihn und einige Personen aus der städtischen Verwaltung und dem Gemeinderat ermittelt. Dass diese Ermittlungen seit nunmehr drei Jahren andauern und immer noch zu keinem Ergebnis geführt haben, ist nicht nur für die Mitglieder der beiden SPD-Ortsvereine und der SPD-Fraktion sondern für viele Leimener Bürger schwer nachvollziehbar. Zum anderen wirft die CDU, die FDP und Teile der SDW dem neuen OB Ernst seit 2001 immer offener Konzeptionslosigkeit und mangelnde Ideen vor – z.B. in der Diskussion um die Wiedereröffnung des Freibads – und vergisst offenbar die Tatsache, dass die finanzielle Situation der Stadt nicht dazu angetan ist, große Pläne zu schmieden oder gar hohe Planungsausgaben zu veranlassen. In jüngster Zeit verschärft die CDU–Fraktion den Ton, so z.B. bei der Diskussion der erneuten Anmietung der Räume im Kurpfalz-Centrum zur Unterbringung der Verwaltung. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Niederlage bei der Bürgermeisterwahl im Jahr 2000 noch nicht verwunden ist, und jetzt versucht wird, den neuen OB „vorzuführen“.


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