Stellungnahme der SPD-Fraktion
zum Haushaltsplan 2004

Karl-Heinz Wagner
in der Gemeinderatssitzung
am 19. Februar 2004


Herr Oberbürgermeister,Herr Bürgermeister,meine Damen und Herren,

ich knüpfe an die letzten Worte meines Vorredners (Herrn Bader, CDU) an und spreche dem Vorsitzenden des Gemeinderates für die in der Vergangenheit geleistete Arbeit als Vorsitzender Dank und Anerkennung aus. In teils hitzigen Debatten hat er immer wieder besonnen und ausgleichend eingegriffen und zur Sachlichkeit aufgefordert, auf verbale Attacken angemessen reagiert und Unparteilichkeit vermittelt.

Wir verabschieden heute - mit Zustimmung der Mehrheit unserer Fraktion - einen Haushalt, der sich durch Ausgabendisziplin, Beschränkung auf das Nötige und Mögliche und eine gewisse Verlässlichkeit auszeichnet, aber auch Wünsche offen lässt. Die Zahlen sind ernüchternd. Gerne hätten wir bessere Zahlen, so weniger Kredite, Stärkung der Rücklagen, eine positive Zuführung zum Vermögenshaushalt und die Senkung von Steuern und Gebühren.

Die konkreten Zahlen sind anders. Auch 2004 brauchen wir Kredite über Millionen Euro, die Rücklagen werden nicht erhöht, das Minus im Verwaltungshaushalt muss emeut durch eine "negative Zuführung" ausgeglichen werden, und an Investitionen stehen außer der - von uns unterstützten - Anbindung des Stralsunder Ringes und dem P & R am Bahnhof nur Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen im Haushalt. Selbst diese sind unvollständig, für das marode Hallenbad sind gerade einmal 13.500,00 Euro an Aufwendungen vorgesehen, Rathaus und Schulbauten sind nicht besser dran. Der Adler in St. Ilgen verfältt zusehends, Sporthallen können nicht saniert werden.

Wir sehen, dass der Haushalt Risiken birgt und machen daher einen - schon im Verwaltungsausschuss angekündigten Vorschlag:

Die Aufwandsentschädigungen aller Gremien - GR, Ausschüsse, Beiräte - werden pauschal um 20 % gekürzt. Einsparbetrag ca. 20.000 Euro. Diese Kürzung kann schon für das Jahr 2004 greifen, was allerdings nicht ohne Zustimmung aller Betroffenen gilt, sollte jedoch spätestens mit der Konstitution des neuen Gemeinderates in Kraft treten.

Einnahmen

Kommunen verfügen allgemein über vier Einkunftsarten: Steuern, Zuweisungen und Zuschüsse, Gebühren sowie Kredite. Eine fünfte Einkunftsart stand den freien Reichsstädten im Mittelalter zu und machte die anderen überflüssig, wurde dann jedoch - wohl zu Recht - abgeschafft: das Recht, eigene Münzen zu prägen.

Keine dieser Quellen ist unerschöpflich, die bequemste - Kredite - hat auch die größten Risiken und Nebenwirkungen. AIlein zur Tilgung und Verzinsung benötigen wir im HH-Jahr 1,7 Mio., Gelder, die in der Vergangenheit für Prestigeobjekte aufgenommen wurden und die uns heute an anderer Stelle fehlen.

Welche Begehrlichkeiten auch immer in Sachen Investition, Leistungen und Fürsorge geweckt werden, finanziert werden können sie nur aus diesen Quellen.

Steuern:

Die Gemeinde erhebt Gewerbe- und Grundsteuer. Die Grundsteuersätze sind im oberen Bereich, aber noch angemessen. Weitere Erhöhungen stehen nicht zur Debatte, Senkungen, die heute sicher noch angeregt werden, können wir uns nicht leisten. Die Grundsteuern stellen eine verlässliche Größe dar.

Die Gewerbesteuereinnahmen haben sich auf niedrigem Niveau stabilisiert. Es ist zu begrüßen, dass wir nicht mehr wie früher von einzelnen Branchen und damit unvorhersehbaren Schwankungen abhängig sind.

Gebühren:

Anders als Steuern stellen Gebühren Entgelte für städtische Leistungen und Nutzungsvorteile dar. Die Stadt hat Gestaltungsspielräume, die durch die allgemeinen Grundsätze - Gleichheitssatz, Sozialstaatlichkeit, pflichtgemäßes Ermessen eingeschränkt werden. Die Obergrenze der Gebühr im Einzelfall ist der tatsächliche Aufwand der Stadt.

Für unsere Fraktion gilt: Städtische Aufwendungen, die nicht durch Gebühren gedeckt werden, müssen aus anderen Töpfen - Steuern, Zuweisungen, Krediten - bezahlt werden, werden also von allen Bürgern gemeinsam aufgebracht. Wo es sozial verträglich ist, sollen sich die Gebühren am Aufwand orientieren - Beispiel: Bestattungen. Anders im Bereich Kinderund Jugendeinrichtungen. Wenn die Geburf von Kindern heute schon für Erwachsene das größte Armutsrisiko darstellt und ein immer größerer Anteil der Kinder von Sozialhilfe abhängig wird, darf die

Stadt Familien nicht mit hohen Kindergartengebühren von der Inanspruchnahme dieser wichtigen Einrichtung abhalten. Auch Hallenbadgebühren und Musikschulkurse müssen für Kinder und Jugendliche tragbar bleiben. Hier ist es sozial geboten, den Fehlbedarf durch Steuem und Zuweisungen zu decken.

Ausgaben

Personalkosten: Die Kosten haben sich auf einem akzeptablen Niveau stabilisierf. Zu begrüßen ist, dass Mitarbeiter, die in der Vergangenheit von Beförderungen oder einer leistungsgerechten Einstufung ausgeschlossen waren, jetzt angemessen eingestuft werden konnten. Der Personalbestand in den technischen Betrieben wurde deutlich reduziert. Die Haushalte in den Bereichen Eigenbetriebe, Wasser und Abwasser sind insoweit ausgeglichen. Hier sind weitere Kürzungen nicht mehr vertretbar. Es ist nicht vermittelbar, wenn Aufgaben in den Betrieben - Gärtnerei, Schlosserei, Landschaftspflege etc. - unerledigt bleiben und die Menschen, die diese Arbeiten machen können und wollen, von Sozialhilfe leben, die wir über die Kreisumlage ohnehin fnanzieren müssen. Andererseits: Der Bürger sieht nur, dass etwas nicht gemacht wird, gefragt, was er für zusätzliche Arbeiten zu zahlen bereit ist, erfolgt beredtes Schweigen. Kosten darf es nichts.

Freiwillige Leistungen:

Unsere Fraktion steht voll hinter der Beibehaltung von "Basket" in allen Stadtteilen. Es war ein gutes Beispiel überfraktioneller Zusammenarbeit, Mittel bereitzustellen, um die drohende Kürzung der Autwendungen für "Basket" jedenfalls teilweise aufzufangen und damit die Betreuung der Jugendlichen in allen drei Stadtteilen aufrecht zu erhalten.

Wir begrüßen es, dass die Brückenlehrerin weiterhin in der Hauptschule in St. IIgen tätig sein kann. Der mühsam ausgehandelte Kompromiss entsprach zwar nicht ganz unseren Vorstellungen, er war jedoch besser als die Streichung der Stelle, so können wir ihn mittragen und damit allen Kindem, einheimischen und russlanddeutschen, helfen, miteinander umzugehen. Die Brückenlehrerin engagiert sich schließlich auch außerschulisch und leistet wichtige soziale Funktionen. Wir begrüßen, dass sich der Gemeinderat ebenfalls sehr mühsam mehrheitlich für die Auftragserfeilung an eine Beratungsfirma in Sachen Hallen- und Freibaderneuerung ausgesprochen hat. Wer glaubt, dass die Stadt diese Aufgabe in Eigenregie bewerkstelligen könne, ist ein Träumer oder Utopist. Es bleibt nur das Betreibermodell und damit das zwingende Erfordernis, wegen der europaweiten Ausschreibungspflicht einen leistungsfähigen und fachkundigen Berater ins Boot zu holen.

Unsere Fraktion hat sich mit Nachdruck gegen ein weiteres Gutachten zur Stadtentwicklung ausgesprochen. Die hierfür im Haushalt vorgesehenen Mittel in der Größenordnung von 65.000 Euro können wir besser verwenden. Es existiert bereits ein Gutachten zur Einkaufssituation in Leimen mit allen Stadtteilen. Dieses haben wir zur Kenntnis genommen. Folgerungen sehe ich nicht. Weder seitens der Verwaltung noch aus der Mitte des Gemeinderates wurden irgendwelche Anträge oder Initiativen aus den Erkenntnissen der Gutachter gestellt oder ergriffen.

Schon aus fnanziellen Gründen ist nicht damit zu rechnen, dass Vorschläge der Gutachter zur Stadtentwicklung Initiativen zu Investitionen auslösen werden - es sei denn ebenfalls als Betreibermodell. Das bedeutet konkret: Auch die Suche nach einem Betreiber ist europaweit zu starten, auch hierfür brauchen wir ein Beratungsunternehmen. Und hier sehe ich beim Hallen- und Freibad eine deutliche Priorität gegenüber der Stadtentwicklung.

Die Sache könnte allerdings Sinn machen, wenn wir mit der Stadtentwicklung und einem Betreiber eine preiswerte Alternative zur Unterbringung der Stadtverwaltung im KCL fänden. Doch damit ist kaum zu rechnen. Wir erinnern uns: Die Stadtentwicklung mit einem weiteren Verwaltungsgebäude stand Ende der 90er Jahre zur Diskussion. Damals hat der Betreiber mit Mieteinnahmen in der Größenordnung von knapp 10 Euro für alle von der Stadtverwaltung anzumietenden Räume einschließlich Flure, Archive etc. kalkuliert, und zwar aufgrund der Baukosten und Grundstückskosten - nach allgemeinen Büromieten wurde nicht gefragt. Dass diese Kosten j etzt um mehr als 10 % gesunken sind, habe ich nicht feststellen können.

Drogenberatung:

Die Mehrheit des Gemeinderates hat die Einrichtung einer Drogenberatungsstelle in Leimen abgelehnt. Begründung: Solange an anderer Stelle gespart werden muss, dürfen keine neuen Projekte mit entsprechenden Kostenfolgen begonnen werden. Wir können diese Begründung nicht nachvollziehen und vermuten, dass etwas anderes dahintersteht: Leimen soll sich ein positives Image verschaffen, und da ist eine Drogenberatung fehl am Platz, sie steht für Junkies, Heroinspritzen und Dealer. Dabei geht es nicht mehr allein um Rauschgiff, auch Alkohol und Nikotin spielen bei der Drogenberatung eine zunehmende Rolle.

Wir sehen einen erheblichen Bedarf an Beratung, die jetzt von auswärfigen Stellen miterledigt werden muss, und treten weiterhin für diese Einrichtung ein. Vereinszuschussprogramm: Auch hier war es Ziel einer fraktionsübergreifenden Initiative, die Förderung auf die Kinder und Jugendlichen zu konzentrieren, ein Ziel, das nur teilweise gelungen ist. Unsere Fraktion steht weiterhin für eine Vereinsförderung ein. Auch im Verein können die Ausgaben im Rahmen des Vereinszweckes nicht durch Mitgliedsbeiträge, Zuschüsse des Landes oder der Verbände und Kerwe-Einnahmen finanziert werden. Wir sehen jedoch nach wie vor den Schwerpunkt des Handlungsbedarfs bei der Jugendförderung.

Wir denken, dass die Hallenmieten jetzt zumutbar ausgewiesen werden. Die pauschalen Nebenkosten können im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen. Hier sind Einzelfallentscheidungen angesagt.

P & R-Platz in St. Ilgen:

Wir begrüßen die Einstellung in den Haushalt. Schon jetzt ist die Parkplatzsituation auf der östlichen Seite des Bahnhofs unzumutbar, und wenn wir die S-Bahn noch attraktiver machen können, so nur mit Parkplätzen und taktgerechtem Busverkehr. Auch die SPD St. Ilgen wartet auf die Neugestaltung des Bahnhofsplatzes, wollen wir doch endlich unser Geschenk zur 110-Jahr-Feier einlösen, nämlich auf dem Willy-Brandt-Platz eine Rotbuche, die uns die SPD Leimen versprochen hat, einzupflanzen.

Wasser und Abwasser:

Ich verweise auf das eingangs Gesagte: Aufwendungen, die die Gebühren nicht decken, sind aus dem allgemeinen Haushalt zu finanzieren. Wir sind deswegen bei Wasser und Abwasser für kostendeckende Gebühren eingetreten. Wasser sparen kann ja nicht völlig verkehrt sein. Die Mehrheit ist uns jedenfalls beim Abwasser nicht gefolgt. Hier wurde in der Vergangenheit falsch kalkuliert, die richtige Berechnung hätte einen erheblich höheren Beitrag schon für die Vergangenheit ergeben. Dass die Anpassung jetzt auf mehrere Jahre verteilt und damit das Ausmaß der Fehlkalkulation verschleiert werden soll, hat jedenfalls unsere Zustimmung nicht gefunden.

Städtische Wohnungsbaugesellschaft:

Ein besonders trauriges Kapitel: Eingerichtet von der früheren Verwaltung als Verschiebebahnhof, um überteuerte Immobilien und Verlustbringer aus dem städtischen Haushalt auszulagern, hängt sie uns jetzt wie ein Klotz am Bein, bindet Haushaltsmittel und kann nicht wirklich saniert werden. Immobilien soltten stille Reserven - der tatsächliche Wert liegt über den Anschaffungskosten - aufweisen, hier sind es stille Lasten, die uns sozusagen ins Gesicht schreien.

Schlussbemerkung:

Abschließend spreche ich den Mitarbeitern der Kämmerei mit Herrn Lange an der Spitze Dank und Anerkennung für die geleistete Arbeit bei der Aufstellung des Haushaltes aus. Mehr als 325 Seiten eng gedruckte Zahlen, nach jeder Sitzung des Gemeinderates Änderungen einzuarbeiten, das Ganze auch übersichtlich darzustellen, war ein gewaltiges Stück Arbeit. Ich danke für die Aufmerksamkeit.