Leserbrief von Karl-Heinz Wagner
Ergänzung zu seinem eigenen Leserbrief vom 16. Januar 2003

Karl-Heinz Wagner
Comenius-Str. 47
69181 Leimen
6. Februar 2003


Der Leserbrief vom 16. Januar in der RNZ hat gemischte Reaktionen ausgelöst. Neben Zustimmung habe ich auch Kritik und Nachfragen nach konkreten Möglichkeiten der öffentlichen Verwaltung gehört. Diesem Wunsch komme ich gern nach.

ALDI, LIDL, PLUS & Co. konkurrieren über den Preis gegeneinander, und das rechnet sich nur mit geringen Kosten am Stadtrand und hohen Umsätzen pro Kunde, der mit dem eigenen PKW anfährt. Wer zwei Joghurt, vier Äpfel und eine Tube Zahnpasta einkauft, ist ein Störfaktor. Läden im Zentrum mit hohen Mietkosten, wenig Parkraum und vielen "Störfaktoren" werden aus rein kaufmännischen Gründen geschlossen, auch wenn immer Betrieb an der Kasse herrscht. Insoweit ist jede Verwaltung machtlos.

Die Kommunen können die Ansiedlung der Discounter am Ortsrand nicht verhindern, ohne sie ganz zu vertreiben, sie können sie aber so konzentrieren, dass sie sinnvoll an den ÖPNV angebunden werden können, wie jetzt in Leimen geplant. Nur finanziell gut gestellte Kommunen, die weniger von der Gewerbesteuer einzelner Unternehmen abhängen, können sich gegenüber der Macht und dem Einfluss von Investoren auf Standortfragen behaupten und ihre Planungsziele durchsetzen.

"Wo eine Nachfrage ist, folgt das Angebot", so ein Kernsatz der Marktwirtschaftler. Bäckereien, meist mit Kaffeeröstern im Rücken, Metzgereien sowie Obst- und Gemüsemärkte, die sich bislang noch gegen die Discountmärkte behaupten können, erweitern ihr Angebot im Bereich Lebensmittel und können die von den Billigmärkten im Zentrum aufgegebenen Produktbereiche jedenfalls zum Teil belegen, aber auch hier achtet der informierte - und mobile - Verbraucher genau auf den Preis. Wird der Joghurt im Wochenprospekt von ALDI etc. für 29 ct angeboten, akzeptiert der Verbraucher den höheren Preis im Ortskern aber nur notgedrungen mit der Folge, dass er bei nächster Gelegenheit wieder billig einkauft.

Geringe Ladenmieten für die Nischenanbieter im Ortskern sind dringend erwünscht, aber nur schwer realisierbar. Private Hausbesitzer, die Grund und Boden teuer bezahlt haben, verlangen von Gewerbetreibenden zu recht zumindest die Kostenmiete und einen bescheidenen Ertrag. Darf und soll eine finanzstarke Kommune mit "Discountmieten" regulierend in diesen Markt eingreifen? Hier fällt mir noch kein Patentrezept ein, ist aber für das finanzschwache Leimen derzeit kein Thema. In Neubaugebieten kann die Kommune Gewerbegrundstücke günstig an Bäckereien etc. verkaufen. Existenzgründern kann und darf mit Subventionen geholfen werden.

Vorschriften gegen unlauteren Wettbewerb der Discounter - Sonderangebote unter Einkaufs-preis, Lockangebote in zu geringer Menge - existieren, wir brauchen jedoch starke Verbraucherzentralen, die diese Missstände verfolgen, aber auf öffentliche Mittel angewiesen sind.

Die SPD bekennt sich zu Wettbewerb und Marktwirtschaft, erinnert jedoch daran, dass zu Beginn unseres Wirtschaftswunders vor der Marktwirtschaft das kleine Adjektiv "sozial" stand, das heute fast in Vergessenheit geraten ist.

Karl-Heinz Wagner
Stadtrat der SPD in Leimen