SPD-Ortsvereine Leimen und St.Ilgen

Wie blickt die USA auf die EU und Deutschland?
Botschafter a.D. Dr. Klaus Scharioth in Leimen


Auf Einladung des Landesvorstands der Europa Union und der SPD Leimen war Dr. Klaus Scharioth, bis vor kurzem deutscher Botschafter in den USA und zuvor Staatsminister im Auswärtigen Amt, zu Gast in Leimen, wo er in einer gut besuchten Veranstaltung im AWO-Heim erläuterte, wie die USA auf Europa und Deutschland blickt. Der ehemalige MdB Gert Weiskirchen, durch dessen Vermittlung die Veranstaltung zustande kam, stellte den Gast vor und führte kurz in das Thema ein.


(v.l.n.r) Gert Weiskirchen, Dr. Klaus Scharioth
(für die Überlassung des Bildes danken wir Friedrich Uthe von Leimen-Lokal)

Scharioth untergliederte das Bild der EU in den USA in drei Bereiche. Wirtschaftpolitisch sehe man die europäische Politik in der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise kritisch, da man jetzt in Europa ähnliche Fehler mache wie die USA sie 2008 bei der Entscheidung, Lehmann pleite gehen zu lassen, gemacht hätten. Die Auswirkungen dieser Entscheidung seien den USA damals nicht bewusst gewesen, und man fürchte, dass Europa diesen Fehler wiederhole. Was die institutionelle Entwicklung der EU anbelange, seien die USA über den Vertrag von Lissabon enttäuscht, da man das Gefühl habe, dass die nationalen Vertreter wieder wichtiger würden, die USA aber gern mit einem einzigen Partner verhandeln würden. In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sei die Politik der EU in den USA zuerst umstritten gewesen, da man davon ausging, dass sie zu einer Schwächung der NATO führe; inzwischen habe man erkannt, dass sie durchaus zur einer Stärkung des Westens zur Folge habe.

Danach kam Scharioth auf das Deutschland-Bild der USA zu sprechen. Mit Ausnahme der Jahre 89/90 sei Deutschland noch nie so positiv wahrgenommen worden wie zurzeit. So spiele es in den Augen der USA die wichtigste Rolle für die Zukunft des Euro. Die erstaunlichste Entwicklung wird darin gesehen, wie schnell Deutschland die Rezession überwunden habe, ohne die Arbeitslosigkeit zu steigern. Man betrachte es als Vorbild, wie man trotz eines hohen Produktionsanteils von 25% (verglichen mit 13% der USA).durch Innovationen die Industrieproduktion aufrecht erhalten und wachsen könne. Bisher seien die USA davon ausgegangen, dass dies nur dienstleistungsorientierte Volkswirtschaften könnten. In der Klima- und Energiepolitik wird Deutschland sogar als führende Nation auf der Welt angesehen. Wenn man diese Politik am Anfang auch skeptisch betrachtet habe, so seien den USA inzwischen klar, dass viele Länder auf dem Weg nachfolgen würden, wenn der deutsche Weg Erfolg habe.

In der nachfolgenden Diskussion wurden u.a. die Auswirkung unterschiedlicher Lösungsansätze europäischer Staaten und der USA in der Sicherheitspolitik (Afghanistan, Irak, Libyen) ausführlich diskutiert. Auch die unterschiedliche Sicht von Demokraten und Republikanern nicht nur auf Europa sondern auf die gesamte nichtamerikanische Welt (mit Ausnahme von Kanada) wurde vertieft,. Scharioth gab zu bedenken, dass sich Europa „warm anziehen“ müsste, wenn der nächste amerikanische Präsident vom Tea-Party-Flügel der Republikaner stamme. Auch die aktuelle Situation in den USA mit der Occupy-Wallstreet-Bewegung wurde gestreift, eine Entwicklung, die uns nach Auffassung von Scharioth alle nachdenklich machen müsse. Die äußerst lebhafte Diskussion wurde mit einem herzlichen Dank an Klaus Scharioth abgeschlossen.


... im AWO-Heim
(für die Überlassung des Bildes danken wir Friedrich Uthe von Leimen-Lokal)


Ein Video von der Veranstaltung finden Sie hier.

Dr. Peter Sandner