Leserbrief von Dr. Heiner Neureither an die RNZ

Geänderte Geschäftsordnung bei Gemeinderatssitzungen in Leimen


Dr. Heiner Neureither
Im Kreuzgewann 19
69181 Leimen


Man kann das von OB Ernst beklagte "singuläre Abweichen Leimens" auch als ersten Schritt zur Normalität betrachten: Die namentliche Nennung der Mandatsträger bei nicht einhelligem Abstimmungsergebnis hat vieles für sich, weil die politische Verantwortung für die Auswirkungen der Gemeinderatsbeschlüsse endlich personalisiert und festgeschrieben wird. Das sind wohl die ersten (moralischen) Konsequenzen aus dem Streit über die Verschuldung der Stadt im letzten Jahr. Die Fraktionen haben sich gegenseitig die Verantwortung zugeschoben, denn "der Gemeinderat" habe ja zugestimmt. Der Gipfel war wohl bei der Bürgerversammlung vom Juli 2001 die von empörten Bürgern vorgebrachte Forderung nach Selbstauflösung des Gemeinderats.

Mit der Einführung der Namensnennung werden kommunalpolitische Entscheidungen nachprüfbar, den blinden, polemischen Rundumschlägen ist die Grundlage entzogen. Offenliegende Fakten fördern eher die Neigung zur sachlichen Mitarbeit. Mehr noch: die Stadträte sind eindeutig in Pflicht genommen, denn Gemeinderatswahlen sind, obwohl im Listenverfahren, Persönlichkeistwahlen. Nach meinen langjährigen Beobachtungen gibt es regelmäßig über 80% veränderte Stimmzettel, d.h. der Wähler kumuliert und panaschiert (über die parteigebundenen Stimmzettel hinweg). Damit will er doch auch - neben dem Beliebtheitsgrad der Kandidaten - die persönliche Verantwortung der einzelnen Bewerber herausstreichen. Das ist bei einer noch überschaubaren Wählerschaft in mittleren und kleinen Kommunen ein wichtiger sozialer Faktor.

Die Persönlichkeitswahl muß die persönliche Verantwortung zur Folge haben, wenn man den Gemeinderat nicht als bloßes gesetzlich notwendiges Abstimmungsinstrument versteht. Die namentliche Nennung - mit der heutigen Kommunikationtechnik wird das möglich sein - ist also, im Gegenteil, ein Schritt in die Normalität. Die Kommunalpolitik gewinnt so an Glaubwürdigkeit gerade für junge Leute, und gibt den einzelnen Mitgliedern des Gemeinderats ihre demokratische Berechtigung und Würde zurück. Individuelle statt kollektive Verantwortung!


Dr. Heiner Neureither
SPD Mitglied, OV Leimen